Haushaltsrede 2021 VG Birkenfeld

unsere letzte Haushaltsrede endete mit dem Wunsch „Mögen wir alle im neuen Jahr von Starkregen, Überschwemmung, unverhältnismäßiger Trockenheit und Sturm verschont bleiben!“ Ein Wunsch, der nur zum Teil in Erfüllung ging. Die extreme Dürre hat massive Spuren im Forstetat der Gemeinden und bei den privaten Waldbesitzern hinterlassen. Somit greift der Klimawandel inzwischen uns allen direkt in die Taschen. Wer hätte jedoch damals geahnt, dass eine weitere Katastrophe auf uns zurollt.

16.12.20 –

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
liebe Rätinnen und Räte, liebe Verwaltung, liebe Presse, liebe Gäste,

unsere letzte Haushaltsrede endete mit dem Wunsch „Mögen wir alle im neuen Jahr von Starkregen, Überschwemmung, unverhältnismäßiger Trockenheit und Sturm verschont bleiben!“

Ein Wunsch, der nur zum Teil in Erfüllung ging. Die extreme Dürre hat massive Spuren im Forstetat der Gemeinden und bei den privaten Waldbesitzern hinterlassen. Somit greift der Klimawandel inzwischen uns allen direkt in die Taschen.

Wer hätte jedoch damals geahnt, dass eine weitere Katastrophe auf uns zurollt.

Das stachlige Virus namens Corona hat uns im Griff, denkt auch gar nicht daran, sich zurückzuziehen und nimmt schon gar keine Rücksicht auf alle gesundheitlichen, sozialen, beruflichen und finanziellen Folgen. Ob man nun hinter allen Verordnungen der Bundesregierung stehen muss, sei dahingestellt. Wir hätten uns auf jeden Fall eine früher einsetzende politische Diskussion auf Bundes- und vor allem auf Kreisebene gewünscht. Die AHA-Regeln sind für uns aber selbstverständlich.

Kein Verständnis haben wir für Querköpfe, denen die eigene angebliche Freiheit über alles geht und die durch ihr unverantwortliches Verhalten Freiheit und Wohl der Mitmenschen mit Füßen treten.

Nun zum Haushalt:

Erfreulicherweise kann im Ergebnishaushalt mit einem Plus von ca. 230.000 € gerechnet werden. Allerdings begründet sich dies durch die Zuwendungen des Bundes im Rahmen der Corona-Hilfe. Die gegenwärtige Freude in unserer VG vergeht leider rasch, wenn man daran denkt, dass unsere Kinder und Enkel diese milliardenschweren Kredite zurückzahlen müssen.

Freuen wir uns also lieber über die Entwicklung der Einwohnerzahlen in der VG Birkenfeld. Doch auch hier gilt: Dieser Aufwärtstrend sollte nicht dem Zufall überlassen bleiben, sondern speziell von uns im Rat durch weise und zielführende Entscheidungen weiter gefördert werden. Nur so kann man auf Dauer der bisherigen dramatischen Abwanderung entgegentreten.

Leider sind im Finanzhaushalt deutliche Minusbeträge ausgewiesen. Allein die Honorarkosten für die Architektenleistung, die Erweiterung der Realschule plus betreffend, fallen mit 620.000 € aus dem Rahmen und machen mehr als 50% der Ausgaben bei den Schulen aus. Die Realschule plus wird uns auch weiterhin beschäftigen, denn in den nächsten Jahren ist mit Investitionen von weit über 5 Millionen € zu rechnen.

Hier sehen wir deutliche Einsparmöglichkeiten. Unserer Meinung nach sollten alle weiterführenden Schulen ab der 5. Klasse dem Kreis zugeordnet werden, da sich die Schullandschaft seit Jahrzehnten erheblich verändert hat und die Zuständigkeiten von Kreis und VG einfach nicht mehr klar sind.

Aufgrund der freien Schulwahl ab der 5. Klasse besuchen Kinder der VG Birkenfeld sowohl die gemeindeeigenen Schulen als auch Schulen außerhalb der VG, während gleichzeitig Schülerinnen und Schüler anderer VGs nach Birkenfeld pendeln. Um nun eine Gerechtigkeit unter den VGs und der Stadt Idar-Oberstein herzustellen, empfiehlt es sich ganz klar, alle weiterführenden Schulen in die Hand der übergeordneten Behörde, nämlich des Kreises, abzugeben. Dies wird zwar zu einer Erhöhung der Kreisumlage führen, entlastet aber unseren Finanzhaushalt in den nächsten Jahren spürbar, z.B. um die oben erwähnten 5 Millionen bei der Erweiterung der Realschule plus.

Außerdem stellen wir uns vor, dass die Verwaltungsarbeit von VG und Kreis an dieser Stelle deutlicher zu trennen ist und auch Personal eingespart und vielleicht an anderer Stelle sinnvoller eingesetzt werden kann. Unsere Fraktion ist bereit, dieses Feld zu bearbeiten.

Noch zwei Anmerkungen zum Haushalt:

1) Bei den Investitionen findet sich unter Position 7 „Kauf eines Fahrzeugs für Vollzugsbeamten“. Wir von Bündnis 90/DIE GRÜNEN gehen davon aus, dass die VG als Mustergemeinde für Deutschland in Sachen Klimaschutz nach der Rezertifizierung hier ein Elektrofahrzeug bestellen wird ;-)

2) Am Herzen liegt uns ebenfalls, die Zahl der Beamtenstellen auf das Nötigste zu begrenzen, um in Zukunft nicht die hohen Pensionskosten tragen zu müssen.
Hier sind unsere Vorstellungen mit denen des Bundesfachausschusses der CDU im Einklang.

Bündnis 90/DIE GRÜNEN stimmen dem Haushalt zu. Wir bedanken uns beim Kämmerer für seine verantwortungsvolle Arbeit. Wir sind sicher, viele hier sind froh, dass sie das nicht machen müssen.

Sehr erfreut hat uns die wundersame schnelle Umsetzung unseres Antrags vom 24. 10. 2019, in dem es darum ging, öffentliche Gebäude der VG, sofern noch nicht geschehen, mit Fotovoltaik einschließlich Speicher auszustatten. Ein wenig Kommunikation hätte wohl nicht geschadet, denn so erfuhren wir von den Baumaßnahmen erst aus der Zeitung, nachdem unser Vorschlag von 2019 zunächst einmal abgebügelt worden war. Trotzdem sind wir natürlich froh, und wir hoffen, dass uns in diesen Räumen noch öfter ein Licht aufgeht.

Unsere Anregung in der Haushaltsrede 2019 (ich zitiere) „Sinnvoll erscheint in diesem Zusammenhang und auch im Rahmen der Digitalisierung die Schaffung von Homeoffice-Plätzen“ erfuhr zur Überraschung aller einen ungeahnten Schub und musste zwangsläufig recht schnell auch gegen interne Bedenken umgesetzt werden.

Ein guter Probelauf für die zukünftige Arbeitswelt!
Irritiert sind wir über den Umgang mit unserem Recht als Fraktion, Anträge in die Ratssitzungen einzubringen. Unsere Anträge sind manchmal nicht bequem, aber sie immer wieder zu ignorieren halten wir für einen schlechten parlamentarischen Stil. Eine Selbstanzeige des Bürgermeisters bei der Kommunalaufsicht wegen dieser Versäumnisse ist wiederum überzogen, zumal diese uns gar nichts nützt und auch den Eindruck erweckt, dass hier ein nicht ganz ernst zu nehmender GRÜNER Zwergenaufstand beschwichtigt oder sogar vor großer Versammlung – hier Bürgermeisterdienstbesprechung - lächerlich gemacht werden sollte. Ein kurzer Austausch mit der Fraktion wäre uns angemessen erschienen.

Entsprechend unserer GRÜNEN Devise „Lieber gestalten als verwalten“ wünschen wir uns bei der Neubesetzung der Stelle des/der leitenden Verwaltungsbeamten/in eine ausgewiesene Fachkraft mit hoher Verwaltungserfahrung und ausgeprägten Führungsqualitäten. Eine gut geführte Verwaltung ermöglicht es ideenreichen Menschen wie Ihnen, Herr Dr. Alscher, viel eher, diese Ideen mit uns zusammen auch gestalterisch umzusetzen. Wir wünschen ein gutes Händchen bei der Neubesetzung.

Abschließend kommen wir zurück auf dieses unvergessliche Corona-Jahr 2020.Jede/r hat noch die Bilder aus dem Frühjahr im Kopf, als eine schon unüberschaubare Menge von Pandemie-Opfern im dicht besiedelten und völlig überforderten Oberitalien mit Armeefahrzeugen zu den Krematorien gebracht werden musste.Wir sind ein Flächenlandkreis mit verhältnismäßig wenig Einwohnern pro km². Deshalb fällt es gar nicht weiter auf, dass in unserem Kreis inzwischen 3,5% der Infizierten an den Folgen von Corona verstorben sind. Das, während bundesweit die Rate nur bei 1,67% liegt. Mit unseren 3,5% (Stand 11. 12. 2020) halten wir einen traurigen Rekord noch vor den USA (1,86%) und auf gleichem Niveau wie Italien im Frühjahr (3,5%). Wir würden gern wissen, warum das so ist. Hinter jedem Tod steht ein persönliches Schicksal sowie das tiefe Leid von Familien und Freunden. Und hinter der Bugwelle der Corona-Krise folgt ein noch viel größeres globales Unheil: der Klimawandel. Alle hier wissen, dass es ihn gibt und dass die Lage mehr als ernst ist. Einige sind von dem Thema genervt, andere finden die heißen Sommer sogar angenehm. Bis Ende 2020 werden wir in Deutschland geschätzt 30.000 Todesfälle in Folge von Corona haben. Zum Vergleich (Quelle NZ 11.12.2020):Hitzetod von über 65jährigen 2018: 20.200 Fälle. Tod durch Luftverschmutzung einschließlich CO²-Emission 2018: 8.140 Fälle, zusammen also ca. 29.000 und damit etwa die gleiche Anzahl an Schicksalen wie durch die Pandemie verursacht.Wer sich vehement für Masken- und Abstandspflicht einsetzt, was einfach nur richtig ist, um Menschen zu schützen, der muss mit gleichem Elan für die massive Reduktion von CO² kämpfen.

Klimaschutz ist Tierschutz.
Klimaschutz ist Artenschutz.
Klimaschutz ist im besonderen auch Menschenschutz.

Schutz vor allem derjenigen, die noch jünger sind, unsere Kinder zum Beispiel, derjenigen, die gerade erst die Welt entdecken, wie unsere Enkel, und derjenigen, die erst noch geboren werden.

In dieser Zeit hoffen wir inständig, dass wir selber nicht ernsthaft erkranken, dass keiner unserer Lieben ernsthaft erkrankt und dass dieses Schreckgespenst in Form einer rosafarbenen stacheligen Kugel bald die Lust verliert, uns zu verfolgen. Dennoch nehmen wir aus diesem Jahr auch einige wertvolle Erfahrungen mit:Wir haben Dinge gelernt, die in unserer „Höher-schneller-weiter-Welt“ bisher kaum vorstellbar waren: Entschleunigung z.B., Rücksichtnahme, Verzicht, Freude an kleinen Dingen, Besinnung auf Wesentliches, Sensibilität für unseren geschundenen Planeten.Möge uns dies alles nicht wieder verloren gehen. Schöne Festtage der anderen Art und ein gutes neues Jahr voller Hoffnung und Aufbruchstimmung wünscht allen die Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN.

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Fraktion VG Birkenfeld