
18.12.25 –
Liebe Idar-Obersteiner Mitbürger:innen,
meine Damen und Herren der Presse, werte Kolleg:innen des Stadtrates,
sehr geehrte Mitarbeiter:innen der Stadtverwaltung,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Marx,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Frühauf!
Was sollen wir zu diesem Haushalt noch sagen was nicht schon ausreichend diskutiert worden wäre? Seit Jahren zeigen wir immer wieder die gleichen strukturellen Probleme auf:
Bund, Land und Kreis übertragen Aufgaben an die Kommunen, ohne diese dauerhaft und auskömmlich zu finanzieren.
Gleichzeitig verändern neue Gesetze die Einnahmen negativ.
Das trifft nicht nur Idar-Oberstein mit voller Wucht.
Aber, was würden wir uns als Vertreter der Bürger:innen wünschen?
* Gestalterische Möglichkeiten für eine nachhaltige Zukunft
für jung und alt vor Ort.
* Zeitnahe Reparaturen in der Infrastruktur, damit die Menschen weiterhin auf eine sichere Wasserversorgung setzen können und der Zustand der Straßen eine sichere Benutzung mit allen Verkehrsmitteln zulässt.
Dies bezieht selbstverständlich auch den bezahlbaren ÖPNV, den Radverkehr und die Fußgänger:innen gleichberechtigt mit ein.
* Bezahlbarer und menschenwürdiger Wohnraum für alle,
unabhängig von der individuellen ökonomischen Lage
* Kurz:
Eine Prioritätenliste, die sich an den Bedürfnissen des Klimaschutzes, der Menschen und einer friedvollen Gemeinschaft orientiert, in der die Würde alle Menschen gleich hochgehalten wird.
Das aktuelle System setzt allerdings weiterhin auf Wachstum, um handlungsfähig zu bleiben. Doch unbegrenztes Wachstum in einer Welt mit begrenzten Ressourcen ist kein zukunftsfähiges Modell. Es verschärft Umweltzerstörung und Klimakrise – und belastet langfristig genau die kommunalen Haushalte, die wir heute zu retten versuchen.
Ein ehrlicher Blick auf den Haushalt 2026 zeigt:
Unsere Spielräume sind minimal. Politische Akzente lassen sich kaum setzen, ohne dabei Bildung, soziale Infrastruktur oder freiwillige Leistungen gegeneinander auszuspielen. Die Pflichtaufgaben der Stadt sind nicht verhandelbar und doch sind sie oft nicht ausreichend gegenfinanziert.
Wichtige Infrastrukturmaßnahmen bei Straßen und Brücken stehen nach langem Aufschieben nur auf der Agenda, weil wir kurz vor einem Totalschaden stehen. So steht zum Beispiel der dringende Neubau der Struthbrücke nun an, trotzdem uns die Finanzierung der Maßnahme schwer fällt. Genauso verhält es sich bei Instandhaltung von Schulen und Kitas. Dieses gehört aber zur notwendigen Daseinsfürsorge und ist eine dringend zu leistende Wertschätzung gegenüber der nächsten Generation.
Prioritäten ergeben sich weil überfällig das „Dringend“ aussticht,
dringend kommt noch vor dem eilt und eilig sollte man schon an vielen Stellen endlich loslegen, wenn wir ehrlich sind.
Leider ist für uns bei all den aktuell geplanten Maßnahmen nicht erkennbar, dass das aufwendig und für viel Geld zum zweiten Mal auf Kreisebene erstellte Mobilitätskonzept Rad endlich als eine längst überfällige Maßnahme geplant und umgesetzt wird.
Aus grüner Sicht bedeutet dies aber keinen Grund für Resignation.
Kommunale Handlungsfähigkeit entsteht nicht nur durch Zahlen. Sie entsteht durch kluge Prioritäten, durch Prävention statt Reparatur und durch nachhaltige Konzepte, welche die Folgekosten im Auge behalten.
Wir haben in Stadt und Kreis ein großes Potenzial, das es weiterhin
zu nutzen gilt:
Das Engagement vieler Ehrenamtlicher, die Kooperation mit Nachbarkommunen sowie Förderprogramme auf Landes-, Bundes- und europäischer Ebene, die wir aber endlich konsequenter nutzen müssten.
Es gibt Fördertöpfe, die auf Anträge warten und den Haushalt bei notwendigen Maßnahmen direkt in nennenswerter Höhe entlasten können.
Aber Geld ist nicht alles, doch ohne Geld geht nicht alles:
Gerade in finanziell engen Zeiten braucht es eine Politik, die ökologisch verantwortlich, sozial gerecht und langfristig wirtschaftlich denkt.
Ein besonders dringendes Beispiel dafür ist der Schutz von Frauen vor Gewalt. Gewalt gegen Frauen ist kein Randthema – sie ist ein gesellschaftliches Versagen.
Jede dritte Frau erlebt körperliche oder sexualisierte Gewalt.
In Rheinland-Pfalz steigen die Zahlen ebenso wie in Idar-Oberstein. Der Frauennotruf hier vor Ort verzeichnet rund 40 Prozent mehr Anfragen als noch 2020. Das sind reale Hilferufe von Bürgerinnen unserer Stadt.
Der Bedarf wächst, aber die Mittel wachsen nicht mit.
Zu sagen, in Zeiten knapper Kassen könne man sich Schutz nicht leisten, ist also absolut falsch. Jeder investierte Euro spart hohe Folgekosten. Nicht zu handeln ist teurer – menschlich und finanziell.
Unsere Stadt ist dem Bündnis „Gemeinsam gegen Sexismus“ beigetreten. Das war richtig. Aber Bekenntnisse allein schützen keine Frauen. Wir brauchen einen dauerhaften, verbindlichen Dialog mit Frauennotruf, Frauenhaus, Frauen helfen Frauen und der Interventionsstelle. Eine Stadt, die Frauen nicht schützt, schützt am Ende niemanden.
Wenn wir über Haushalt sprechen,
sprechen wir nicht nur über Pflichtaufgaben.
Eine Stadt lebt und zeigt Gesicht insbesondere durch die freiwilligen Leistungen.
Kultur ist dabei kein Luxus, sondern Teil öffentlicher Daseinsvorsorge.
Der Theatersommer und das Theater-Abo ermöglichen vielen Menschen generationenübergreifend überhaupt erst den Zugang zu Kultur, niedrigschwellig und hier vor Ort. Die Jazztage sind dabei längst mehr als ein Event: Sie holen junge Menschen ab, verbinden Menschen unterschiedlichster Herkunft und Alters. Sie strahlen weit über Idar-Oberstein hinaus, das Image unserer Stadt profitiert spürbar.
Aber auch die lokale Wirtschaft in Form von Eventdienstleistern, Hotels und Gastronomie profitiert finanziell.
Gerade in Zeiten zunehmender gesellschaftlicher Spaltung schaffen solche Formate Räume der Begegnung. Diese Leuchtturmprojekte brauchen Planungssicherheit und ein klares Bekenntnis. Kultur ist kein Nice-to-have. Sie gibt unserer Stadt ein Gesicht und schafft Identität.
Wer sich heute umhört erfährt schnell:
Der Ärztemangel ist leider kein Schlagwort mehr, er ist tägliche Realität für viele Patienten in der Region. Wartezeiten für Facharzttermine von Monaten und bis zu einem Jahr sind unzumutbar. Wenn Praxen aus Altersgründen ohne Nachfolger schließen, wird die Suche nach einem neuen Hausarzt zur Qual.
Und nicht nur in Krankenhäusern auf dem Land, ja auch in etlichen Abteilungen in Unikliniken wäre die medizinische Versorgung nicht mehr möglich ohne eine hohe Zahl ausländischer Ärztinnen und Ärzte. Und anstatt endlich für ausreichend neue Studienplätze und damit für mehr junge Ärzte zu sorgen, werden immer neue Ideen geboren, den Patienten den Zugang zu Ärzten und damit zu guter medizinischer Versorgung zu erschweren.
Hier muss schnellstens ein Umdenken erfolgen, sonst brechen ganze Versorgungsstrukturen angesichts der Altersstruktur unserer Ärzte in wenigen Jahren zusammen. Schon längst müssten Brandbriefe von Kommunen im ländlichen Raum bei verantwortlichen Stellen Regale füllen und Konzepte erarbeitet werden, wie man eine auskömmliche Gesundheitsfürsorge fern von städtischen Strukturen gewährleisten kann, die auch bei Notfällen leistungsfähig ist.
Wohnungslosigkeit darf keine Option werden.
Damit sie das aber nicht wird, darf bezahlbarer Wohnraum kein Luxus sein, er ist eine soziale Notwendigkeit. In Idar-Oberstein spüren viele Familien, Studierende und Senior*innen den steigenden Druck auf dem Wohnungsmarkt. Es wird immer schwerer, passende Wohnungen zu finden. „Sozialer Wohnungsbau“ findet aktuell nahezu nicht mehr statt, Mietpreise nähern sich dem Niveau in größeren Städten an, allerdings bei geringeren Lohnniveaus im ländlichen Raum.
Damit die Frage nach sozialem Wohnungsbau und bezahlbarem Wohnraum zumindest eine Antwort zum Status Quo mit Zahlen und Fakten erhält, stellen wir hiermit folgenden Antrag:
Die Stadtverwaltung möge mit den ihr zur Verfügung stehenden oder zugänglichen Zahlen, die Entwicklung der zur Verfügung stehenden von Sozialwohnungen im Stadtgebiet Idar-Oberstein in den letzten 5 Jahren abbilden, gerne auch länger. Als zusätzliche Kennzahlen bitten wir auszuweisen: Mietpreisentwicklung pro qm, durchschnittliche Wohnungsgrößen im Sozialbau, Anzahl der Sozialwohnungen pro Stadtteil und prozentuale Verteilung der Eigentumsverhältnisse (Privat bzw. städtischen bzw. kreisweite Baugesellschaften).
Selbstverständlich nur so weit die Kennzahlen der Stadtverwaltung bekannt sind. Wir bitten diese Zahlen allen Fraktionen zur Verfügung zu stellen und hoffen damit eine sachliche Basis für eine gemeinsame Planung zu erhalten.
Demokratie ist nicht selbstverständlich
Nicht nur wir im Rat tragen Verantwortung für die Demokratie vor Ort. Sachlicher Streit ist notwendig. Wer aber toleriert, dass demokratische Institutionen und Menschen in und außerhalb ihres Amtes oder Berufs angegriffen werden und extremistische eindeutig fremdenfeindliche Positionen normalisiert werden, macht sich am Ende mit einer negativ fortschreitenden Entwicklung gemein.
Lassen sie uns deshalb klarstellen:
Für uns ist der Versuch mit uns Kontakt aufzunehmen durch Mitglieder einer bestimmten Fraktion kein Dialogangebot, es ist vielmehr der Versuch ihre Ideologie salonfähig zu machen.
Deshalb unser Appell: Streiten wir um Inhalte – aber stehen wir geschlossen, wenn es um die Grundlagen unseres Zusammenlebens geht.
Menschenrechte sind nicht verhandelbar und dürfen nicht zum Inhalt eines Streitgesprächs werden an dessen Ende ihre Abschaffung steht. Idar-Oberstein war immer und ist immer noch eine weltoffene Stadt, auch aber nicht nur durch unsere Handelsbeziehungen über alle Sprach- und Ländergrenzen hinweg in die vielen Länder dieser Erde. Ausländerfeindlichkeit wollen wir uns nicht leisten und wir dürfen ihr keine Räume überlassen.
Den demokratischen Kolleg:innen des Stadtrates und der Verwaltung, hier allen voran dem Kämmerer und seinen Mitarbeiter:innen möchte ich für die geduldige gemeinsame Arbeit am Haushalt und insbesondere für die für die Unterlagen und Geduld bei den Beratungen danken. Ganz Besonders auch für den fairen Umgang miteinander und das sachliche Ringen um die richtigen Entscheidungen.
Ebenso danke ich meinen Parteifreund:innen für die gute Zusammenarbeit im vergangenen Jahr und die gemeinsame Vorbereitung der Rede.
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BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kreisverband Birkenfeld
Heike Holtermann
Idar-Oberstein
h.holtermann@gruene-birkenfeld.de
oder
Manuel Praetorius
55624 Rhaunen
Mobil: 0171 - 7412385
m.praetorius@gruene-birkenfeld.de
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